Gestern hat die SPD die Chance eröffnet in Europa mehr Demokratie zu wagen, indem sie eine Brücke zwischen Kritikern und Befürwortern von CETA geschlagen hat. Nach dem SPD-Parteikonvent in Wolfsburg lauten viele Überschriften in den Medien: „SPD stimmt CETA zu“. Da ich mich seit vielen Monaten intensiv mit dem Abkommen beschäftigt und mich auch an vielen Stellen in die Debatte eingemischt habe, möchte ich Sie/Euch in dieser persönlichen Erklärung direkt informieren und offene Fragen beantworten.

Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA gestimmt, wie viele schreiben. Sie hat einen Antrag verabschiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt. Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind. Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt sind, werde ich CETA nicht zustimmen:

  • „Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z.B. ‚faire und gerechte Behandlung‘ und ‚indirekte Enteignung‘ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren beschränkt werden.
  • Unter Bezugnahme auf das Cartagena-Protokoll und die Rechtsposition der EU im WTO-Verfahren über Hormonfleisch zwischen der EU und Nordamerika muss unmissverständlich und rechtsverbindlich erklärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Abkommens in keiner Weise vom primärrechtlich verankerten Vorsorgeprinzip (Art. 191 AEUV) abweicht.
  • Im Rahmen des Beratungsprozesses ist ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu entwickeln. Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert werden. Der soziale Dialog ist effektiv auszugestalten, sodass das Verfahren zur Durchsetzung von Standards wirkungsvoll genug ist und durch Sanktionsmöglichkeiten ergänzt wird.
  • Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständlich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden.“

Im Unterbezirk Region Hannover hatten wir beschlossen, dass wir CETA in der jetzt vorliegenden Form ablehnen und Verbesserungen über das Europäische Parlament erreichen wollen. Genau dieser Weg wird nun im Konventsbeschluss beschrieben: Es muss einen breiten Anhörungsprozess des Europäischen Parlaments mit der Zivilgesellschaft und den nationalen Parlamenten geben, der Lösungsansätze für alle umstrittenen Fragen entwickelt, bevor das Europäische Parlament über den Vertrag abstimmt und Teile des Abkommens vorläufig angewendet werden. In diesem Zusammenhang wird es intensive Auseinandersetzungen um die Fragen geben, welche Bereiche des Abkommens in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen und damit vorläufig angewendet werden können. Die SPD legt sich im Beschluss fest: Unter anderem das hoch umstrittene Kapitel zum Investorenschutz fällt in nationale Zuständigkeit. Dieser Bereich kann also nur dann angewendet werden, wenn auch das letzte nationale Parlament der Europäischen Union zugestimmt hat.


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Genossinnen und Genossen,

im August habe ich ein Papier verfasst, indem ich aufgezeigt habe, an welchen Stellen die roten Linien der SPD überschritten sind. Ich habe geschrieben, dass dem jetzt vorliegenden CETA-Entwurf nach meiner Überzeugung kein SPD-Parlamentarier zustimmen kann. Als Brücke zwischen CETA-Kritikern und CETA-Befürwortern innerhalb der SPD habe ich in diesem Papier und letztlich auch dem Konvent die gerade beschriebene Klärung über das Europäische Parlament mit einem breiten Diskurs mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft vorgeschlagen. Ich bin stolz, dass der gestern verabschiedete SPD-Beschluss aufgrund eines Vorschlag aus dem Bezirk Hannover nun genau diesen Weg zeichnet und bedanke mich ausdrücklich bei Bernd Lange und Stephan Weil, mit denen ich diese Änderung erreichen konnte.

Jetzt müssen wir beweisen, dass Europa in der Lage ist, neue Wege der Demokratie und Transparenz zu gehen. Ich hoffe sehr, dass wir für diesen Weg viele Mitstreiter in den anderen EU-Mitgliedstaaten finden können.


Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass Sigmar Gabriel mit der Kanadischen Handelsministerin gestern noch Änderungen im Hinblick auf die Arbeitnehmerrechte für den Ministerrat angekündigt hat, die den DGB-Vorsitzenden Rainer Hoffmann dazu veranlasst haben, auf dem Konvent für die Zustimmung zum nun beschlossenen Antrag zu werben.


Ich füge den Antrag, den wir als Bezirk Hannover gestellt haben, dieser persönlichen Erklärung bei, damit jeder erkennen kann, dass wir Hannoveraner eine erhebliche Änderung am Ursprungsantrag des Parteivorstandes erreicht haben. Ebenso erhaltet ihr den vollständigen Beschluss des SPD-Parteikonvents.


Herzliche Grüße!

Matthias Miersch